Schon seit den 1920er Jahren trieben die Schwedischen Staatsbahnen (Statens Järnvägar, SJ) die Elektrifizierung ihres Streckennetzes voran. Dennoch wurden auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch einige Dampflokomotiven beschafft : Nachdem in den Jahren 1946 und 1947 bereits zehn 2´D h3 - Schlepptenderloks der Baureihe („Littera“ ) E10 in Dienst gestellt worden waren, folgten 1952 / 53 zwanzig Exemplare der Reihe S1. Diese formschönen 1´C2´ h2 - Tenderlokomotiven waren in erster Linie für den Einsatz auf nicht zur Elektrifizierung anstehenden Nebenbahnen bestimmt, um dort die Zeit bis zum Eintreffen zuverlässiger Dieselloks bzw. –triebwagen zu überbrücken. Entsprechend diesem Einsatzzweck wurden die Loks trotz insgesamt recht stattlicher Größe (in den leistungsbestimmenden Parametern nur geringfügig kleiner als die deutsche Baureihe 64) mit einer außerordentlich niedrigen Kuppelachslast von nur 12,6 t ausgeführt, um den schwachen Oberbau vieler Nebenstrecken zu schonen (sogar nur 11,5 t, wenn nur der hintere Wasserkasten genutzt wurde).
Die Maschinen wurden sämtlich von der „Nydqvist & Holm AB“ (NOHAB ) in Trollhättan gebaut und von der SJ mit den Betriebsnummern 1910 bis 1929 eingereiht.
Als letzte für die SJ entwickelte und gebaute Dampfloktype wies die S1 einige moderne Konstruktionsmerkmale auf, so etwa die Schweißbauweise des Kessels und die Rollenlager aller Achsen. Insgesamt waren die Lokomotiven allerdings recht konservativ ausgeführt und letztendlich bereits bei ihrer Lieferung veraltet, denn viele andere Bauelemente übernahm man von älteren, bewährten Gattungen.
Zu ihrer Zeit galten die S1 - Lokomotiven nicht als großer Wurf: Schon bald nach der Inbetriebnahme zeigten sich Probleme aufgrund von Fertigungsmängeln; zudem erwies sich der Kessel als etwas knapp dimensioniert.
Die Maschinen kamen in einen schlechten Ruf, und die meisten Lokpersonale bevorzugten die rund 35 Jahre älteren 1´C2´ h2 - Tenderloks der Reihe Sb / S2, die freilich mit ihrer höheren Achslast nicht freizügig auf Nebenbahnen verkehren konnten.
Wenngleich die S1 den Erwartungen also nicht in jeder Hinsicht entsprach, so besaß sie dennoch einige Vorzüge.
Für die Personale angenehm waren die durchdachte Architektur mit vielen Tritten und Handläufen sowie bis dahin keineswegs selbstverständliche Details wie die mechanische Aschkastenentleerung, pneumatisch betriebene Scheibenwischer oder die Triebwerksbeleuchtung. Zudem waren die Vorräte für eine Tenderlok dieser Leistungsklasse außerordentlich großzügig bemessen, selbst dann noch, wenn die seitlichen Wasserkästen zwecks Verringerung des Achsdruckes stillgelegt waren.
9 Maschinen (Nr. 1910 – 1913, 1915, 1916, 1927 – 1929) erhielten zudem eine NALCO-Speisewasserenthärtungsanlage, die sich aber nicht besonders gut bewährte. Lok Nr. 1914 wurde versuchsweise für einige Zeit mit einem Henschel-Mischvorwärmer ausgestattet, Nr. 1928 erhielt in den 1960er Jahren eine Ölhauptfeuerung.
Die – bei recht guten Laufeigenschaften – vorwärts wie rückwärts 80 km/h schnellen S1 wurden nach ihrer Indienststellung noch oft im Personenzugdienst eingesetzt, so z.B. auf der Strecke Malmö – Ystad ( – Simrishamn); ab Mitte der sechziger Jahre mussten sie sich dann aber zunehmend mit Nahgüterzügen begnügen, während gleichzeitig bereits die ersten Ausmusterungen begannen. Stationiert waren die Loks etwa in Borås, Halmstad, Malmö, Nässjö, Östersund und Ystad.
Bis zum Jahre 1972, also nach nur knapp 20 Jahren Betriebseinsatz, waren bereits alle Lokomotiven der Reihe S1 abgestellt. Wie auch viele andere Dampfloks der SJ wurden sie aber zumeist nicht sofort zerlegt, sondern – oft für etliche Jahre – als Reserveloks, etwa für den Kriegsfall, konserviert. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass mit fünf Maschinen immerhin ein Viertel aller gebauten Exemplare vor dem Schneidbrenner gerettet werden konnte. Während drei dieser Loks (Nr. 1914, 1921, 1923) in Schweden und eine (Nr. 1928 ) in Großbritannien für die Nachwelt bewahrt werden, hat die S1 Nr. 1916 seit vielen Jahren in Deutschland eine neue Heimat gefunden. Sie wird betriebsfähig erhalten und von Kappeln (Schlei aus bei Nostalgiefahrten eingesetzt. Leider wurde sie in den letzten Jahren zunehmend „verbastelt“, wobei sie ihre Schneeräumer, die Scheibenwischer sowie den originalen Turbogenerator einbüßte und LKW-Lampen anstelle der schwedischen Lokscheinwerfer erhielt. Auch die schöne originale Farbgebung mit roten Pufferbohlen und blauer Glanzblech-Kesselverkleidung musste bedauerlicherweise einem tristen Einheits-Schwarz weichen.